Alles anzeigen200.000 ist für moderne Motoren und Getriebe keine Laufleistung mehr.
Man ließt viel, aber auch nur von den Leute, die Probleme bekommen. Von den gesamten Kunden sind es letztlich nur wenige Prozent. Die Mehrheit der Kunden und das sind 90% haben kaum Probleme mit Getrieben oder Turboladern (auch ein bekanntes Thema) aber die melden sich nicht in Foren und schreiben über ihre Probleme.
Zum Fachlichen, da muss ich muss etwas ausholen. Ich erkläre mal so simpel wie möglich, was in so einem Automatikgetriebe passiert und wozu das Öl da ist:
Ein Automatikgetriebe besteht aus zwei wesentlichen Komponenten:
1. Dem Föttingerwandler (Drehmomentwandler) und
2. dem eigentlichen Getriebesatz.
Letzterer unterscheidet sich grundlegend von einem manuellen Schaltgetriebe. Während ein klassisches Schaltgetriebe aus zwei Wellen und für jeden Gang einem Zahnradpaar besteht (mit Zwischenrad für den Rückwärtsgang), hat ein Automatikgetriebe nur eine Welle sowie einem oder mehreren mehrdimensionalen Planetengetrieben, die in bestimmter Art und Weise mit einander verkuppelt werden können. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom Ravigneaux-Satz (4 Gang), Simson-Satz (5 Gang) und Lepelletier-Satz (6 Gänge und mehr).
Geschaltet werden die Gänge durch Lammellenkupplungen im Ölbad und dies sind keine Reibkupplungen (Friktionskupplung), sondern Adhäsionskupplungen. Einfacher Vergleich: Nimm einen Bierdeckel, mach einen Tropfen Honig drauf, lege es mit dem Honig nach unten auf eine Glasplatte und versuch das dann mal zu verschieben. Obwohl sich der Bierdeckel und die Platte nicht berühren, kann Kraft übertragen werden. Die Stärke der Kraftübertragung kann mit dem Druck auf den Bierdeckel reguliert werden. Was hat der Bierdeckel mit dem Belag einer Lamellenkupplung gemeinsam? Richtig - beide sind aus Papier! Dennoch hält dieser Belag ewig, weil es eben keinen Verschleis gibt - sofern eben das Öl in Ordnung ist! Aus Papier sind die Beläge, damit das Öl daran besser haften bleibt.
Es ist auch nicht so, das es für jeden Gang eine eigene Kupplung gibt. Die Gänge werden durch eine Kombination von mehreren geschlossenen Kupplungen realisiert. Der Simson-Satz hat fünf dieser Kupplungen (1 bis 5). Für jeden Gang sind zwei davon geschlossen:
3 + 5 = 1. Gang
3 + 4 = 2. Gang
2 + 3 = 3. Gang
2 + 4 = 4. Gang
2 + 5 = 5. Gang
1 + 5 = Rückwärtsgang
Beim Lepelletier-Satz gibt es eine Kupplung mehr und für jeden Gang sind stets drei Kupplungen geschlossen.
Der zweite Partner im Bunde ist der Fröttingerwandler. Es ist auch keine Kupplung, sondern eher ein stufenloses Getriebe und wirkt wie ein zusätzlicher Gang. Vor allem bei den Amis kann man das sehr schön erleben - bei denen sind die Wandler extrem weich ausgelegt. Gibt man Gas, geht erst einmal die Drehzahl hoch und das Fahrzeug beschleunigt mit fast konstanter Drehzahl. Dies ermöglicht zwar ein extrem weiches Fahren, kostet aber sehr viel Sprit, weil der Motor beim Gasgeben erst einmal in die Drehzahl "flieht". Wir Europäer gehen da einen anderen Weg: Das Wandlerverhältnis ist deutlich kleiner, der Wandler an sich strafer ausgelegt. Damit das geht, haben unsere Automatikgetriebe mehr Gänge.
Ist der Wandler jedoch straff ausgelegt, dann kann es zum sogenannten Wandlerpumpen kommen. Man gibt Gas, die Drehzahl geht hoch, das Fahrzeug setzt sich in Bewegung, dadurch ändert sich die Anströmung im Wandler, er bremst mehr ein....und das hin und wieder zuviel. Die Drehzahl sinkt zu stark ab, die Anströmung ändert sich wieder und der Motor dreht wieder hoch. Verhindern kann man das eigentlich nur durch eine weiche Auslegung und damit hohe Eigenkomensation des Wandlers ... oder...?
Das Problem entsteht durch die hohe Gegenkraft aus dem Triebstrang bei großen Drehzahlunterschieden Motordrehzahl <-> Abtriebsdrehzahl - also Anfahren und bei Langsamfahrt. Nun kommt die Sonderolle von Kupplung 3 ins Spiel. Sie ist größer als die Anderen und das hat seinen Grund: Normalerweise kennen die Kupplungen nur auf oder zu - Kupplung drei kann entspannt werden, so dass diese Schlupf zu lässt. Merkt die Elektronik, dass der Föttingerwandler zum Pumpen neigt, lupft sie Kupplung 3 leicht und läst damit zu, dass - obwohl der Wandler straf aus gelegt ist - das System dennoch in die Drehzahl fliehen kann. Kann jeder feststellen: Wenn das Getriebe kalt ist, sind die Anfahrdrehzahlen höher und die Kupplung schaltet in den ersten drei Gängen weicher.
Das Ganze funktioniert aber nur, wenn das Öl die richtige Viskosität hat. Öl altert aber, verschleißt mit der Zeit (Zeit ist ein wichtigerer Faktor als Kilometer) und das spürt vor allen Dingen Kupplung 3. Sie lupft wie immer, der Schlupf ist aber größer und eventuell so groß, so das es zu einer Race-Condition kommt. Hat nichts mit Rennen zu tun, sondern damit, das sich zwei Effekte gegenseitig aufschaukeln.
Das Ganze ist eigentlich vergleichbar mit dem Rupfen einer Trockenkupplung. Fährt man an und die Karre beginnt zu rucken, dann tritt man instinktiv die Kupplung etwas mehr bis das Rucken nachläst. Sind nun die Beläge verschlissen, dann kann es passieren, das es - obwohl man die Kupplung schon fast geöffent hat immer noch ruckt.
Zwar ruckt der Föttingerwanlder nicht - der Effekt des Pumpens ist aber damit vergleichbar. Ich habe es schon erlebt, dass der Motor fast bis auf Nenndrehzahl gedreht hat und die Karre im Schneckentempo angefahren ist.
Wenn sich dieser Effekt verstärkt mit der Zeit, ist dass das untrübliche Zeichen dafür, dass das Getriebeöl fertig ist. Direkt bei 100.000 wird das Getriebe nicht "kaputt" gehen, aber bei 120.000 sollte der Ölwechsel stattgefunden haben. Manche lassen den Wechsel erst machen, wenn sich das Getriebe gemeldet hat, aber dann kann es schon zu Spät sein.
Vielen Dank für deine ausführliche Erklärung!
Zur Zeit ist mein 535i mit ZF 8G Automatik 63tkm gelaufen.
Aufgrund deiner Ausführung werde ich bei 80tkm eine Getriebeölwechsel auf die Agenda setzen.
Welches Öl kannst du uns empfehlen bzw. gibt es dabei etwas spezielles zu beachten? Ich habe darüber bereits gelesen, hätte die Infos aber gerne quasi aus 1. Hand.